RUHE

Dokumentarfilm, 1970/72, 16mm (DCP – restaurierte Fassung, 2023), 50′

Buch/Regie: Karl Saurer, Hannes Meier, Gerhard Camenzind
Kamera: Hansueli Alder
Ton: Werner Bühler, Ueli Schärer, Hermann Inglin
Montage: Christine Weibel
Produktion: Schweizer Fernsehen

Der erste von sechs Beiträgen des vom Deutschschweizer Fernsehen geplanten Jugendmagazins Die Kehrseite dokumentiert Kritik und Anliegen einer jungen Generation, die sich der Devise von «Ruhe und Ordnung» nicht mehr bedingungslos unterordnen und Raum für freiere, offenere und gerechtere Lebensformen und Verhältnisse fordern.

Vor der Ausstrahlung verfügt die Direktion – ohne jegliche Diskussion mit den Autoren – den Abbruch des Projekts aus Angst vor negativen politischen Interventionen.

RUHE ist für die unmittelbare Zeit nach 1968 in der Schweiz ein film-historisch einzigartiges und bedeutendes Werk – heute erstmals öffentlich zu sehen!
Der Film beleuchtet kritisch die damalige gesellschaftspolitische Realität und führt verschiedene Aufbruchs-Bewegungen vor Augen: Den Kampf um autonome Jugendzentren, um einen Zivildienst, die Frauenbefreiungsbewegung, die Forderung nach antiautoritärer Erziehung, Lehrlingsgewerkschaften, den Protest gegen Verdrängung von Wohnraum aus Innenstädten, die Antirassismus-Bewegung.

«Ruhe und Ordnung – eine der ersten Arbeiten Karl Saurers – ist ein wertvolles historisches Dokument zum Aufbruch, der mit 1968 begonnen hat. Zusätzlich zu den Inhalten zeigt das Sendeverbot, das über den Dokumentarfilm verhängt wurde, die heftigen und andauernden Versuche von rechtskonservativen Kräften, das Fernsehen als ‚zu links‘ zu diffamieren. Die Geschichte des Films verdeutlicht, wie die Verantwortlichen, in Angst um ihre Position, mit dem Vorwand der „Ausgewogenheit“ wunde Punkte nicht selten mit Stillschweigen und Zensur umgehen.»
Elena M. Fischli

«In einem 50-minütigen Dokumentarfilm versuchten Gerhard Camenzind, Hannes Meier und ich zu zeigen, wie es einem ergeht, der in unsere schweizerische Gesellschaft hineingeboren wird. In eine Gesellschaft, die ihre Verfassung im Namen eines Allmächtigen beginnen lässt, als letzte und höchste Instanz jedoch die «Gesetze des Marktes» anerkennt. Und da die Geschäfte nur dann ihren rechten Gang gehen, wenn Ruhe und Ordnung herrschen, erstaunt es nicht, dass wir vom Kindergarten bis zur Rekrutenschule eine fast lückenlose Kette von Sozialisationsagenturen durchlaufen, denen bei allem Methodenpluralismus ein gemeinsames «Erziehungsziel» eignet: Ruhige und Ordentliche zu schaffen, «die mehr liefern als lafern».
Karl Saurer, «Maulkorb und Selbstzensur beim Fernsehen», erschienen im Cinema, 1977/2

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