Referentinnen, Referenten und Publikum: „Was für ein wichtiges Zeitzeugnis!“
Inzwischen ist ein äusserst interessiertes Publikum in Einsiedeln, Schwyz, Luzern, Zug und Zürich mit dem Buch „Filme für den kreativen Widerstand. Zum Wirken Karl Saurers“ bekannt geworden.
Alle Buchtaufen fanden in Kinosälen statt, wurden sie doch jedesmal begleitet von der Erstprojektion des bislang unter Verschluss gehaltenen Frühwerks von Karl Saurer „Ruhe“. Es ist in Zusammenarbeit mit Hannes Meier und Gerhard Camenzind entstanden im Auftrag des Schweizer Fernsehens, dann aber aufgrund seiner kompromisslos kritischen Analyse nie ausgestrahlt worden – bis es heute endlich den Weg zu einem begeisterten Publikum findet.
Die Politikerin Cécile Bühlmann, der Historiker Jakob Tanner und die auf Frauengeschichte der Schweiz spezialisierte Historikerin Elisabeth Joris führten in das brisante, einzigartige cineastische Zeugnis über Aufbruchs-Bewegungen anfangs der siebziger Jahre ein. Alle diese Bewegungen stellen ein Demokratie-Defizit zugunsten wirtschaftlicher Interessen fest. Und alle fordern grundlegende, aber sehr konkrete Neuerungen im politischen und soziokulturellen Bereich.
Befreiende Frauenbewegung
Cécile Bühlmann betonte, wie befreiend sie damals die Kraft der Frauenbewegung erlebt hat, die nicht nur Gleichberechtigung forderte, sondern auch Schluss machen wollte mit einer repressiven „schwarzen“ Pädagogik – einer Pädagogik im Elternhaus und in der Schule, die auf Anpassung, Unterordnung und Verboten basierte. In den fünfzig Jahren seit der Entstehung des Films sei das Glas nun doch halb voll geworden mit einigen wichtigen Anliegen, die umgesetzt werden konnten.
Soziokultureller Aufbruch
Jakob Tanner verwies auf die vielfältigen Formen eines nicht nur politischen, sondern auch soziokulturellen Aufbruchs, der schon vor 1968 begonnen hatte und bis in die Mitte der Siebziger Jahre anhielt. Eines Aufbruchs, der sich verbunden fühlte mit grösseren, transnationalen Protest- und Befreiungsbewegungen, wie dem Protest gegen den Vietnamkrieg in den USA oder dem Kampf gegen Rassismus.
Eines Aufbruchs auch, der viele Bereiche erfasste und beispielsweise auch Lehrlingsgewerkschaften entstehen liess oder mehr Mitbestimmung und Mitgestaltung in Bildungsbelangen einforderte.
Ruhe und Ordnung – und Repression
Elisabeth Joris schilderte eindrücklich, temperamentvoll und anhand konkreter Beispiele, wie repressiv noch bis in die achtziger Jahre „Ruhe und Ordnung“ als oberste Prinzipien gewaltet hatten und wie sehr von einer jungen Generation ein Ausbruch aus der Enge ersehnt wurde.
Dass nicht wenige Bürgerinnen und Bürger von direkten oder indirekten Berufsverboten betroffen waren, wenn sie sich kritisch gegen die hehre Militärpflicht äusserten oder sich gegen die fremdenfeindlichen Überfremdungsinitiativen engagierten.
Alle ReferentInnen erachten den Film als ein wertvolles Zeitdokument, das der Öffentlichkeit erhalten werden muss, weil es mit direkt Betroffenen eine breit gefächerte Neuerungsbewegung dokumentiert.